Tempo 30-Zonen nach der 33. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften

Ende 2000 wurden Tempo 30-Zonen rechtlich besser abgesichert. Damit ging allerdings die Entscheidung einher, Tempo 30 nicht innerorts flächendeckend einzuführen, was der Verkehrssicherheit sicherlich mehr gedient hätte als jede verkehrspolitische Entscheidung seit der Einführung der "Promillegrenze" und zugleich den Bedarf an Verkehrsschildern innerorts um mindestens die Hälfte gesenkt hätte.

Anstelle von weiteren Kommentaren sollen die folgenden Zitate die Zielrichtung und die Anwendungsbereiche bzw. -grenzen aufzeigen.

 

Aus § 45 StVO:

(1c) Die Straßenverkehrsbehörden ordnen ferner innerhalb geschlossener Ortschaften, insbesondere in Wohngebieten und Gebieten mit hoher Fußgänger- und Fahrradverkehrsdichte sowie hohem Querungsbedarf, Tempo 30-Zonen im Einvernehmen mit der Gemeinde an. Die Zonen-Anordnung darf sich weder auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) noch auf weitere Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) erstrecken. Sie darf nur Straßen ohne Lichtzeichen geregelte Kreuzungen oder Einmündungen, Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295), Leitlinien (Zeichen 340) und benutzungspflichtige Radwege (Zeichen 237, 240, 241 oder Zeichen 295 in Verbindung mit Zeichen 237) umfassen. An Kreuzungen und Einmündungen innerhalb der Zone muss grundsätzlich die Vorfahrtregel nach § 8 Abs. 1 Satz 1 ("rechts vor links") gelten. Abweichend von Satz 3 bleiben vor dem 1. November 2000 angeordnete Tempo 30-Zonen mit Lichtzeichenanlagen zum Schutz der Fußgänger zulässig.


 

Aus der VwV-StVO

§ 42 Richtzeichen

Zu Zeichen 301 Vorfahrt

...

IV. Innerhalb geschlossener Ortschaften ist das Zeichen in der Regel nicht häufiger als an drei hintereinander liegenden Kreuzungen oder Einmündungen aufzustellen; sonst ist das Zeichen 306 zu verwenden. Eine Abweichung von dem Regelfall ist nur angezeigt, wenn die Bedürfnisse des Buslinienverkehrs in Tempo 30-Zonen dies zwingend erfordern.


Zu § 45 Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen

Zu Absatz 1 bis 1 e

...

XI. Tempo 30-Zonen

  1. Die Anordnung von Tempo 30-Zonen soll auf der Grundlage einer flächenhaften Verkehrsplanung der Gemeinde vorgenommen werden, in deren Rahmen zugleich das innerörtliche Vorfahrtstraßennetz (Zeichen 306) festgelegt werden soll. Dabei ist ein leistungsfähiges, auch den Bedürfnissen des öffentlichen Personennahverkehrs und des Wirtschaftsverkehrs entsprechendes Vorfahrtstraßennetz (Zeichen 306) sicher zu stellen. Der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (wie Rettungswesen, Katastrophenschutz, Feuerwehr) sowie der Verkehrssicherheit ist vorrangig Rechnung zutragen.

  2. Zonen-Geschwindigkeitsbeschränkungen kommen nur dort in Betracht, wo der Durchgangsverkehr von geringer Bedeutung ist. Sie dienen vorrangig dem Schutz der Wohnbevölkerung sowie der Fußgänger und Fahrradfahrer. In Gewerbe- oder Industriegebieten kommen sie daher grundsätzlich nicht in Betracht.

  3. Durch die folgenden Anordnungen und Merkmale soll ein weitgehend einheitliches Erscheinungsbild der Straßen innerhalb der Zone sicher gestellt werden:

    a) Die dem fließenden Verkehr zu Verfügung stehende Fahrbahnbreite soll erforderlichenfalls durch Markierung von Senkrecht- oder Schrägparkständen, wo nötig auch durch Sperrflächen (Zeichen 298) am Fahrbahnrand, eingeengt werden. Werden bauliche Maßnahmen zur Geschwindigkeitsdämpfung vorgenommen, darf von ihnen keine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, keine Lärmbelästigung für die Anwohner und keine Erschwerung für den Buslinienverkehr ausgehen.

    b) Wo die Verkehrssicherheit es wegen der Gestaltung der Kreuzung oder Einmündung oder die Belange des Buslinienverkehrs es erfordern, kann abweichend von der Grundregel "rechts vor links" die Vorfahrt durch Zeichen 301 angeordnet werden; vgl. zu Zeichen 301 Vorfahrt Rn. 4 und 5.

    c) Die Fortdauer der Zonen-Anordnung kann in großen Zonen durch Aufbringung von "30" auf der Fahrbahn verdeutlicht werden. Dies empfiehlt sich auch dort, wo durch Zeichen 301 Vorfahrt an einer Kreuzung oder Einmündung angeordnet ist.

  4. Zur Kennzeichnung der Zone vgl. zu Zeichen 274.1 und 274.2.

  5. Die Anordnung von Tempo 30-Zonen ist auf Antrag der Gemeinde vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen und Merkmale der Verordnung und dieser Vorschrift vorliegen oder mit der Anordnung geschaffen werden können, indem vorhandene aber nicht mehr erforderliche Zeichen und Einrichtungen entfernt werden.

  6. Lichtzeichenanlagen zum Schutz des Fußgängerverkehrs, die in bis zum Stichtag angeordneten Tempo 30-Zonen zulässig bleiben, sind neben den Fußgänger-Lichtzeichenanlagen auch Lichtzeichenanlagen an Kreuzungen und Einmündungen, die vorrangig dem Schutz des Fußgängerquerungsverkehrs dienen. Dies ist durch Einzelfallprüfung festzustellen.


 

In dem Ausgabe Nr. 4/2000 der kommunalpolitischen Zeitschrift GRIBS - Kommunalrundbrief der bayrischen Grünen wird die erleichterte Einrichtung vom Tempo 30-Zonen - von einem Kenner - wie folgt erläutert.

 

Tempo 30: Demnächst einfacher

Anmerkungen zur anstehenden StVO-Novellierung

Von Karl-Heinz Rochlitz (Büro Alfred Schmidt, MdB)

Voraussichtlich noch in diesem Jahr kommt die 33. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften und tritt zum 1.1.2001 in Kraft. Hinter diesem Titel verbergen sich vor allem Änderungen zur Straßenverkehrsordnung (StVO), u.a. das Verbot, das Handy ohne Freisprechanlage zu benutzen, und eine neue Tempo- 30-Regelung.

Die aktuelle StVO-Novellierung sieht u.a. folgende konkrete Änderung vor:

Autofahrer müssen künftig mit Tempo 30 rechnen (§ 39)!

In § 39 wird nach Absatz 1 folgender Absatz eingefügt: "(1a) Innerhalb geschlossener Ortschaften ist abseits der Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) mit der Anordnung von Tempo 30-Zonen (Zeichen 274.1) zu rechnen."

Vorschläge unsererseits wie auch des Deutschen Städtetages, diese bzw. eine ähnliche Formulierung bereits in § 3 aufzunehmen, wo sie wegen der dortigen Regelung der Geschwindigkeiten besser hingepasst hätte, wurden nicht übernommen – was insofern nicht so schlimm wiegt, weil der Autofahrer natürlich § 39 genauso wie § 3 kennen muss.

Wie künftig Tempo-30-Zonen auszusehen haben?

Welche Auswirkungen hat nun der neue Absatz in § 39? Das bislang relativ hohe Anspruchsniveau für die Einrichtung von Tempo-30-Zonen wird reduziert. Tempo 30 ist damit leichter realisierbar, auch im Zusammenhang mit dem neuen § 45 Abs. 1c:

"(1c) Die Straßenverkehrsbehörden ordnen ferner innerhalb geschlossener Ortschaften, insbesondere in Wohngebieten und Gebieten mit hoher Fußgänger- und Fahrradverkehrsdichte sowie hohem Querungsbedarf, Tempo 30-Zonen im Einvernehmen mit der Gemeinde an. Die Zonen-Anordnung darf sich weder auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) noch auf weitere Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) erstrecken. Sie darf nur Straßen ohne Lichtzeichenanlagen, Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295), Leitlinien (Zeichen 340), benutzungspflichtige Radwege (Zeichen 237, 240, 241 oder Zeichen 295 in Verbindung mit Zeichen 237) umfassen. An Kreuzungen und Einmündungen innerhalb der Zone muss grundsätzlich die Vorfahrtregel "rechts vor links" gelten."

Folgender wichtiger Hintergrund ist dabei zunächst zu beachten: Bislang war es so, dass die Gemeinden nur ein eher vages Vorschlagsrecht für Tempo- 30-Zonen hatten, dann aber der Willkür der Straßenverkehrsbehörden (im allgemeinen in Länderzuständigkeit!) ausgeliefert waren. Die Verwaltungsvorschriften zur StVO erlaubten den obersten Landesbehörden einen erheblichen Dispositionsspielraum, der oft die "Inflation" von Tempo-30-Zonen (aus Sicht einiger eher restriktiver Länder) verhindern sollte. D.h. in den Kommunen mancher Länder waren Tempo-30-Zonen viel schwieriger als in Kommunen anderer Länder durchzusetzen. Das ist jetzt anders und besser, weil die neue Regelung, wie Tempo-30-Zonen konkret auszusehen haben, in den Verordnungsrang erhoben worden ist. D.h. wenn die in § 45 Abs. 1c beschriebenen Bedingungen erfüllt sind, muss die betreffende Straßenverkehrsbehörde dem Wunsch der Kommune folgen und die Tempo-30-Zone ausweisen. Das ist ein eindeutiger Fortschritt für die kommunale Verkehrsplanung. Auf unsere Anfrage wurde uns erklärt, dass der Rechtsanspruch der Gemeinde sogar einklagbar sein dürfte, wenn sich eine Straßenverkehrsbehörde als völlig uneinsichtig erweisen sollte.

Vereinzelt haben wir an den konkreten Regelungen auch Kritik vernommen, die uns allerdings insgesamt nicht als gravierend und verallgemeinerbar erscheint – im Einzelnen:

Fazit: Ein deutlicher Fortschritt für Tempo 30. Ab dem 1.1.2001 ist es wesentlich einfacher, Tempo- 30-Zonen einzurichten – die Entscheidungsmöglichkeiten der Kommunen (und damit auch der einflussnehmenden BürgerInnen) werden gegenüber den Straßenverkehrsbehörden erheblich gestärkt. Die aufwendige Umgestaltung der Zonen, damit der Autofahrer auch nur ja merkt, dass er sich in einer Tempo-30-Zone befindet, ist künftig überflüssig, d.h. Schwellen und "Blumenkübel" auf den Straßen sind überflüssig, um eine Tempo-30-Zone einzurichten. (Verengungen der Straße nach der preiswerten Devise "Pinsel statt Beton" bieten sich aber nach wie vor an!) Das "Zonenbewusstsein", das immer der ADAC gefordert hat, ist abgeschafft zu Gunsten der Regelung, dass der Autofahrer abseits der Vorfahrtstraßen immer mit Tempo 30 rechnen muss. Schließlich kann eine Tempo-30-Zone auch beliebig groß sein, sofern sie nicht an Vorfahrtstraßen stößt; vorher gab es auch hier Einschränkungen.

Aus GRÜNER Sicht ist das zwar nicht der ganze, ursprünglich angestrebte Erfolg (Regeltempo 30 in Ortschaften), aber immerhin ein sehr deutlicher Fortschritt, den wir auch entsprechend positiv als GRÜNEN Erfolg darstellen sollten.


Siehe hierzu auch
das Urteil des VG Oldenburg vom 19.05.2004 - A 7 1055/03, Verkehrsdienst (VD) 2004, 253:
"Anordnung einer Tempo-30-Zone"

Leitsätze des Gerichts

"Der Verordnungsgeber wollte mit der Einführung des § 45 Abs. 1 c StVO durch die 33. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 11. Dezember 2000 die Möglichkeit, Tempo-30-Zonen anzuordnen, wesentlich erleichtern und hat die hierfür erforderlichen Voraussetzungen weitgehend in der Vorschrift selbst bestimmt.

Für die Anordnung einer Tempo-30-Zone bedarf es eines verkehrsrechtlich anzuerkennenden Zwecks. § 45 Abs. 1 c StVO enthält insoweit Regelbeispiele, bei deren Vorliegen die Straßenverkehrsbehörde grundsätzlich ohne weitere Nachprüfung im Einzelfall von einer hinreichenden Gefahrenlage ausgehen darf.

§ 45 Abs. 9 Satz 1 StVO ist bei der Anordnung von Tempo-30-Zonen nicht anwendbar.

Für die Anordnung einer Tempo-30-Zone bedarf es keiner gesonderten Feststellung eines sog. Zonenbewusstseins mehr. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 1994 ( - 11 C 25.93 - BVerwGE 90, 214, 217 ff.) zum damaligen § 45 Abs. 1 b StVO ist durch § 45 Abs. 1 c StVO überholt.

Die Ermessensentscheidung bei der Anordnung einer Tempo-30-Zone unterliegt nur insoweit gerichtlicher Kontrolle als die rechtfehlerfreie Abwägung der Belange des Betroffenen mit den Interessen der Allgemeinheit verlangt werden kann."

Ende Leitsätze


Siehe ferner
das Urteil VG Freiburg (Breisgau) vom 18.05.2004 - 4 K 414/02:
"Tempo-30-Zone - Widerspruch gegen die diese anordnenden Verkehrszeichen; Bestandskraft"