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Das Urteil ist rechtskräftig nach Rücknahme der Berufung in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

 

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VERWALTUNGSGERICHT STADE

KAMMERN LÜNEBURG

Aktenzeichen:
2 VG A 14/85

Verkündet am 19. Juni 1985
Höhn, Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle

 

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

 

in der Verwaltungsrechtssache

des Sparkassenangestellten Hartmut Bokelmann, Blockkamp 26, Hohnhorst,

Klägers,

   

- Proz.-Bev.:

Rechtsanwälte Mehring und Partner,
Uhlemeyerstraße 18, Hannover 1

g e g e n

die Jagdgenossenschaft Hohnhorst,
vertreten durch den 1. Vorsitzenden
Walter Ehlers, Hohnhorster Straße, Hohnhorst,

Beklagte,

 

beigeladen:

Landkreis Celle,

w e g e n Zugehörigkeit zur Jagdgenossenschaft.

Die 2. Kammer Lüneburg des Verwaltungsgerichts Stade hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 1985 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dr. Sarnighausen und die Richter am Verwaltungsgericht von Bierbrauer zu Brennstein und Dietze sowie die ehrenamtlichen Richter von Hinüber und Janisch für Recht erkannt:

Es wird festgestellt, daß der Kläger Mitglied der Jagdgenossenschaft ist.

Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Rechtsmittelbelehrung:

...

 

Tatbestand:

Der Kläger meint, durch sein bebautes Grundstück in Hohnhorst Mitglied der Jagdgenossenschaft zu sein.

Am Dorfrand, östlich der Straße "Blockkamp", ist der Kläger Eigentümer des 6.735 m2 großen Flurstücks 65/1 der Flur 1 der Gemarkung Hohnhorst, in dessen Nordteil ein Wohnhaus mit Stall und Garage steht. Für eine Erweiterung dieses Wohnhauses hat der Kläger 1976 eine Baugenehmigung erhalten, die er ausgenutzt hat (Bauakte 671 - 54/1794 des Beigeladenen). 1984 stellte der beigeladene Landkreis im südlichen Teil des Grundstücks einen 6 x 3 m großen, ehemaligen Weideschuppen fest, den der Kläger als Garage nutzt. Als der Kläger für eine Doppelgarage, deren Standort etwa in der Mitte des Grundstückes an der Straße "Blockkamp" sein soll, 1984 eine Baugenehmigung erhielt, verpflichtete er sieh gegenüber dem beigeladenen Landkreis mit Schreiben vom 28. September 1984 zum Abriß des Schuppens nach Fertigstellung der Doppelgarage.

Das Grundstück des Klägers wird im Norden vom bebauten Nachbargrundstück, im Osten von dem Bachbett der Lachte, im Süden von landwirtschaftlichen Flächen und im Westen von der Ortsstraße "Blockkamp" begrenzt. Auf der anderen Straßenseite, dem Grundstück des Klägers gegenüberliegend, schließen landwirtschaftliche Nutzflächen an. Das Grundstück des Klägers liegt im Naturpark Südheide (Verordnung zum Schutze von Landschaftsteilen im Landkreis Celle "Naturpark Südheide" vom 13. September 1982 - Amtsblatt der Bezirksregierung Lüneburg 1972 S. 1260, RdErl.d.ML v. 17. September 1984 - Nds.MBl. 84, 758). Es ist zu den Nachbargrundstücken hin - mit Ausnahme zum Lachtebett - durch einen Drahtzaun abgegrenzt.

Das umstrittene Grundstück "Blockkamp Nr. 26" ist in den Katasterunterlagen mit 1.300 m2 Hoffläche, mit 4.135 m2 Grünland und 1.300 m2 Holzung beschrieben.

Nach längerem Schriftverkehr über die Zugehörigkeit dieses Grundstücks zur Jagdgenossenschaft, der Zahlung von Jagdpacht und des Rechtes auf Betreten des Grundstücks durch Jäger bestritt die Beklagte dem Kläger die Mitgliedschaft an der Jagdgenossenschaft. Deshalb erhob er vor dem erkennenden Gericht Klage. Er hält sein Grundstück nicht mehr für einen befriedeten Bezirk, dessen Eigentümer von der Jagdgenossenschaft ausgeschlossen sei. Er beantragt

festzustellen, daß der Kläger Mitglied der Jagdgenossenschaft Hohnhorst ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

weil das Grundstück weder land- noch forstwirtschaftlich genutzt werde, Durch die Einzäunung des ganzen Grundstücks sei es ein befriedeter Bezirk, wie das auch an anderen Stellen des Dorfes von der Beklagten angenommen werde.

Der beigeladene Landkreis hat keine Anträge gestellt. Er hat sich auch zur Sache nicht geäußert.

Das Gericht hat die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Bauakten des beigeladenen Landkreises sowie dessen Verwaltungsvorgänge über die Rechtsstellung des Klägers zur Jagdgenossenschaft zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die gewechselten Schriftsätze, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die Sitzungsniederschrift vom 19. Juni 1985 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nach § 43 VwGO zur Feststellung des Mitgliedschaftsrechtes des Klägers in der Jagdgenossenschaft zulässig (BVerwG, Urt. v. 9.12.1982, DÖV 1983, 548; VG Stade, Urt. v. 4.8.1983 - 4 VG A 104/83; OVG Lüneburg, Urt. v. 25.7.1984 - 14 0VG A 63/82 (14 - 815); BVerwG, Beschl. v. 20.1.1975 - I B 50, 74 - n.v.; sinngemäß BayVGH, Urt. v. 18.8.1980 - 22 8.1410/79 -, NJW 81, 2076; OVG Lüneburg, Urt v. 17.2.1983 - 14 OVG A 260/80 - JagdE 4 IV Nr. 19 = RdL 83, 206). Sie ist auch begründet, weil der Kläger durch sein Flächeneigentum Mitglied der Jagdgenossenschaft ist.

1. Nach § 8 Bundesjagdgesetz in der Fassung vom 29.9.1976 (BGBI. I S. 2849) BJagdG - bilden "alle (zusammenhängenden) Grundflächen einer Gemeinde" über 150 ha, die nicht zu einem Eigenjagdbezirk gehören, den gemeinschaftlichen Jagdbezirk. Die Grundflächen der Gemeinde Hohnhorst liegen im Zusammenhang von mehr als 150 ha. Sie bilden die Jagdgenossenschaft Hohnhorst, die Beklagte. Der Grundbesitz des Klägers gehört weder zu einem Eigenjagdbezirk nach hat er zu einem anderen Jagdbezirk seine natürliche Verbindung. Er gehört nach seiner Lage zum gemeinschaftlichen Jagdbezirk der Beklagten.

2. Der Kläger als Eigentümer des zum Jagdbezirk gehörenden Grundbesitzes ist auch persönliches Mitglied der Jagdgenossenschaft. Das regelt § 9 Abs. 1 Satz 2 BJagdG. Danach gehören zwar diejenigen Eigentümer der Jagdgenossenschaft nicht an, auf deren Flächeneigentum die Jagd nicht ausgeübt werden darf. Ist das jedoch auch nur zum Teil (Teilfläche eines Flurstückes) nicht der Fall, sind die betreffenden Eigentümer kraft Gesetzes (so VG Stade, Urt, v. 4.8.1983, aaO) Jagdgenossen (vgl. VG Kassel, Urt. v. 20.11.1980 - IV E 156/80 -, JagdE 2 II Nr. 38; Drees, Der befriedete Jagdbezirk, Rheinisch-Westfälischer Jäger 1983, 36/37). Auf dem größeren Teil des klägerischen Grundstückes darf die Jagd ausgeübt werden, so daß der Kläger (insoweit) Jagdgenosse ist.

a) Das Bundesjagdrecht geht davon aus, daß auf allen Grundflächen die Jagd ausgeübt werden darf, wenn dies nicht verboten ist. Ein derart ausnahmsloses Verbot ist nach § 6 BJagdG durch das Ruhen der Jagd bestimmt (so Rühling/Selle, BJagdG -Komm., 2. Aufl. 1971, § 6 Anm. 1). Danach ruht die Jagd auf Flächen, die, nicht wie hier, keinem Jagdbezirk (§ 3 Abs. 3 BJagdG) angehören oder befriedete Bezirke sind. Dagegen stellen bloße Beschränkungen des Jagdausübungsrechtes aufgrund örtlicher, zeitlicher, persönlicher oder anderer Umstände kein Jagdverbot im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 BJagdG dar, weil sie das Jagen nicht "dauernd" (so Mitzschke/Schäfer, BJagdG-Komm., 4. Aufl. 1982, § 9 Rdnr. 11) ausschließen. Deshalb genügt z.B. nur eine Beschränkung der Jagdausübung nach § 20 BJagdG (vgl. VG Stade, Urt. v. 4.8.1983, aa0) oder aus waffenrechtlichen oder wegerechtlichen (z.B. § 18 Abs. 10 StVO) Gründen nicht (vgl. Englaender, Befriedete Bezirke, Nachrichten des Deutschen Jagdschutzverbandes e.V. 1978, S. 7, Nr. 4). Erst dann, wenn die Jagdausübung vollends verboten ist, schließt das die Mitgliedschaft des Klägers in der Jagdgenossenschaft aus.

b) Der Flächenbesitz des Klägers ist kraft Gesetzes - eine jagdbehördliche Verfügung liegt nicht vor - nur insoweit ein befriedeter Bezirk, als zu ihm Gebäude, Hofräume und der unmittelbar anschließende Hausgarten gehören (Art. 8 Abs. 1 Landesjagdgesetz - LJagdG - in der Fassung vom 24.2.1978, Nds.GVBI. S. 110, zuletzt geändert durch Gesetz vom 5.12.1983, Art. 27, Nds.GVBI. S. 281). Da der niedersächsische Gesetzgeber lediglich auf Gebäude abstellt, ohne den in anderen Landesgesetzen insoweit einengenden Zusatz "die zum Aufenthalt von Menschen bestimmt sind" übernommen zu haben, ist für den Grundbesitz des Klägers klargestellt, daß auch die auf ihm errichteten, vorhandenen Nebengebäude zum befriedeten Bezirk zählen (vgl. Rühling/Selle, aa0, Anm. 3 a). Außerhalb dieser Gebäude gehört kraft Gesetzes der Hofraum zum befriedeten Bezirk. Das gilt ferner für den als Hausgarten zu begreifenden Besitz, der an die Behausung unmittelbar anschließt und durch eine Umfriedung begrenzt wird. Nach Mitzschke/Schäfer, aaO., Rdnr. 1.4, sind als Hausgärten die Obst-, Gemüse und Ziergarten anzusehen, die ausschließlich oder hauptsächlich dem hauswirtschaftlichen Bedürfnis der Haushaltsmitglieder zu dienen bestimmt sind (Gegensatz hierzu ist ein Handelsgarten, der dazu dient, Gärtnereierzeugnisse auf den Markt zu bringen). Auf die Größe des Hausgartens kommt es aber nicht maßgeblich an, da im Einzelfall auch ein Park noch ein Hausgarten sein kann. Lediglich die Nutzungsart läßt im allgemeinen erkennen, ob ein Hausgarten oder eine andere, etwa eine landwirtschaftliche oder erwerbsgärtnerische Nutzung vorliegt. Damit endet der befriedete Bezirk dort, wo die durch Markierungen erkennbare Grenze des unmittelbaren Hausfriedens verlassen wird. Das ist hier deutlich bei der lebenden Hecke am Südrand der Wohnbebauung des Flurstückes der Fall. Insoweit ist der Kläger Eigentümer eines befriedeten Bezirks, der ihn persönlich als Mitglied der Jagdgenossenschaft ausschließt.

c) Das im wesentlichen jenseits der Heckenbegrenzung anschließende, als Weide genutzte Flächeneigentum, das katasteramtlich als "Grünland" und "Holzung" benannt ist, stellt dagegen keinen befriedeten Bezirk dar. Denn es ist weder Haus, Hof oder Hausgarten im Sinne des Art. 8 LJagdG noch liegt es im Gebiet eines Bebauungsplans oder des im Zusammenhang bebauten Ortsteils von Hohnhorst. Dieser Flächenanteil liegt nämlich im Außenbereich (§ 19 BBauG). Allein die Tatsache, daß auch dieser Teil des Flurstücks eingezäunt ist, läßt ihn noch nicht zum befriedeten Bezirk werden. Denn dieser ist deutlich durch diese genannte Hecke abgegrenzt, so daß die eingezäunte Restfläche eher als (unbefriedete) Weide erscheint. Außerdem können auch eingezäunte Flächen, die - wie einmal unterstellt werden mag - nach den Vorstellungen des Eigentümers am Hausfrieden teilnehmen sollen, nur dann zum befriedeten Eigentum gerechnet werden, wenn ihre Einzäunung wenigstens materiell rechtmäßig ist (vgl. Englaender, aaO). Die Einzäunung der genannten Fläche des Klägers ist jedoch weder genehmigt, noch hat der Kläger für den Zaun eine Baugenehmigung beantragt. Einer Baugenehmigung stehen auch erkennbar baurechtliche und naturschutzrechtliche Bedenken entgegen (vgl. OVG Münster, Urt. v. 27.11.1963 - EJS TI S. 2 Nr. 4 = Die Gemeinde 1965, 263; OVG Lüneburg, Urt. v. 9.1.1964 - I OVG A 52/63 -, BRS 15, 37; BayVGH, Urt. v. 14.4.1981 - 12 II 78 -, BRS 38, 106). Mit dem zwar erkennbar abgegrenzten, jedoch nicht als 'Hausgarten' genutzten und vor allem nicht mehr dem Hausfrieden zugeordneten Flächenanteil seines Grundbesitzes im Außenbereich ist der Kläger also Mitglied der Jagdgenossenschaft.

Der Klage war deshalb mit den Nebenentscheidungen gemäß §§ 154 Abs. 1 und 162 Abs. 3 VwGO stattzugeben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO iVm § 708 Nr. 11 ZPO.

Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Dr. Sarnighausen ist durch Urlaub an der Unterschrift verhindert.

von Bierbrauer zu Brennstein von Bierbrauer zu Brennstein Dietze


Das Urteil wurde veröffentlicht in Jagdrechtliche Entscheidungen IV Nr 40
als Urteil des VG Stade vom 19.07.1985, Az. 2 A 14/85
zu den Normen: BJagdG § 6, BJagdG § 8, BJagdG § 9 Abs 1 S 2, BJagdG § 20, JagdG ND Art 8 Abs 1

Titel: Zugehörigkeit zur Jagdgenossenschaft

Leitsätze

1. Bloße Beschränkungen des Jagdausübungsrechtes aufgrund örtlicher, zeitlicher, persönlicher oder anderer Umstände stellen kein Jagdverbot im Sinne des BJagdG § 9 Abs 1 S 2 dar, weil sie das Jagen nicht "dauernd" ausschließen.

2. Eine Beschränkung der Jagdausübung nach BJagdG § 20 oder aus waffenrechtlichen oder wegerechtlichen Gründen ist nicht geeignet, die betreffende Grundfläche zum befriedeten Bezirk werden zu lassen.

3. Erst dann, wenn die Jagdausübung auf einer Grundfläche vollends verboten ist, schließt das die Mitgliedschaft des Grundstückseigentümers in der Jagdgenossenschaft gemäß BJagdG § 9 Abs 1 S 2 aus.

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